Was ist Freidenkertum?

Freies Denken in Österreich von Maria Theresia bis heute

Was haben die österreichischen Freidenker mit dem Gedenkjahr „100 Jahre Republik“ zu tun? Auf den zweiten Blick sehr viel: immerhin erreichten sie nach 1918 eine Mitgliederzahl von 40.000 in ganz Österreich und ihre monatlich erscheinende, selbst finanzierte Zeitschrift „Der Freidenker“ mit Beiträgen auf hohem Niveau eine Auflage von 60.000 Exemplaren. Die Zeitschrift war, wie ihr Vortrags-, Bildungs- und Veranstaltungsangebot auch in ganz Österreich immer wieder Zielscheibe für regelmäßige Angriffe von der Politik und den wichtigsten Tageszeitungen und sie wurden schon 1933, also ein Jahr vor der SDAP, auf Druck der Kirche von Kanzler Dollfuß verboten worden.

Zunächst aber ein kurzer Blick in die österreichische Freidenker-Vergangenheit. Nach einer kurzen Epoche der „Aufklärerei“ um 1848 traf die Macht der katholischen Kirche zum Beispiel den als „Bauernphilosoph“ aus Goisern vor allem in Oberösterreich berühmt gewordenen Konrad Deubler (1814-1884), der als Aufklärer und früher Freidenker galt, mit voller Härte: 1853 wurde er zu Gefängnis und Festungshaft verurteilt und erst 1857 von Kaiser Franz Joseph begnadigt; allerdings wurde er von 1862 bis 1864 in die Verbannung geschickt.

Die „Wiege“ der österreichischen Freidenker stand jedoch in Graz: dort gab Michael Biron die erste Zeitschrift „Der Freidenker“ heraus. Die ersten Freidenker profitierten von den Gesetzen der liberalen Gesetzgebung von 1867, die weiter gültig war, scheiterten jedoch an der klerikalen Presse, den Interventionen der katholischen Kirche und daraus folgenden strafrechtlichen Verfolgungen bereits 1872. Davon betroffen war nicht nur Michael Biron, sondern auch der Berliner Wissenschafter Bruno Wille nach einem Vortrag über „Freidenkerthum und Kirche“ 1897 in Graz, dem eine lange gerichtliche Auseinandersetzung wegen Religionsstörung folgte. Eine weitere, als „Wahrmund-Affäre“ in die Geschichte eingegangene Auseinandersetzung zwischen Klerikalismus und liberaler Gesetzgebung fand 1908/1909 an der Universität Innsbruck statt; auch diese, fast zwei Jahre dauernden Prozesse schlugen nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland hohe Wellen.

1887 war in Wien der „Verein der Konfessionslosen“ gegründet worden, ihm folgte der Verein „Freidenker“ 1896 zunächst nur für Niederösterreich und ab 1904 für ganz Österreich. Ab 1896 erschien die Zeitschrift „Der Freidenker“, der sowohl den Prozess gegen Bruno Wille als auch gegen Ludwig Wahrmund ausführlich und mit fundierten Beiträgen begleitete. Eine deutliche Abgrenzung zogen die österreichischen Freidenker – trotz vieler inhaltlicher Überschneidungen – gegenüber den Freimaurern.

Zum Jahreswechsel 1888/1889 erfolgte in Hainfeld – wie die Freidenker aus dem liberalen Bürertum hervorgegangen – die Gründung der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SDAP. Freidenker und Sozialdemokraten trafen sich in den Schwerpunkten Aufklärung – Bildung, Religion und dem Verhältnis von Kirche und Staat.

In keinem anderen europäischen Land bestand von Anfang an eine so enge und gleichzeitig konfliktreiche politische Verbindung zwischen Freidenkern und Sozialdemokratie wie in Österreich. Unterschiede wurden etwa auch bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges deutlich: die Freidenker waren von Anfang an gegen den Krieg und brachten das in ihrer Zeitschrift auch immer wieder zum Ausdruck.

Das größte Konfliktfeld lag jedoch im antiklerikalen Engagement der Freidenker, das von der SDAP vehement abgelehnt wurde. Dieser Konflikt wurde auch besonders deutlich, wenn sich die Freidenker gegen regelmäßige und verfassungswidrige Klagen durch kirliche Behörden in den Bundesländern gerichtlich zur Wehr setzten und meistens in letzter Instanz auch erfolgreich waren. Die SDAP warf den Freidenkern vor, sie würden ihr bei potentiellen Wahlen vor allem in den Bundesländern schaden. Dieser Konflikt war auch der Grund dafür, dass die Freidenker nie als Teilorganisation der SDAP akzeptiert wurden.

Nach 1945 wurden die Freidenker von der SPÖ blockiert, der Dauerkonflikt schloss beinahe nahtlos an die Konflikte der „Ersten Republik“ an: wie damals ging es um das Verhältnis von Kirche und Staat, um eine zwar veränderte, aber doch Erneuerung des Konkordats von, womit das von Dollfuß mit dem Vatikan abgeschlossene Konkordat neu begründet wurde.

Konzept und Organisation:

Nadine Hauer (weitere Referenten werden noch bekannt gegeben) Politologin, Publizistin, Erwachsenenbildung, Schwerpunkte: Zeitgeschichte, Politische Bildung, Politische Psychologie, Psychohistorie

Veranstaltungen:

Datum/ZeitVeranstaltung
​Do 04/10/2018
18:00–20:00
Die Freidenker 1918 bis 1933 IWK, Wien
​Do 06/12/2018
18:00–20:00
Die Freidenker 1945 bis heute IWK, Wien