Jour Fixe Bildungstheorie: Validierung als Bildung - dialogische Validierungsformate in der Erwachsenenbildung

Die Validierung des nicht-formalen und informellen Lernens wird seit Mitte der 2000er Jahre europaweit forciert, basierend auf EU-Empfehlungen und im Kontext der weltweiten Einführung nationaler Qualifikationsrahmen. Ein zentraler Anspruch dabei: Kompetenzen erkennen und anerkennen, unabhängig davon, wo sie erworben wurden. Kompetenzerfassung gewinnt dabei eine Schlüsselfunktion und hält auch Einzug in die Erwachsenenbildung (EB) – eher zögerlich und mit kritischer Resonanz seitens der allgemeinbildenden EB: Begrüßt wird eine Er-weiterung der Zugangsmöglichkeiten im Bildungs- und Berufssystem, befürchtet wird die verstärkte Ausrichtung der gesamten EB auf Employability inkl. mehr Testen, Messen, Standardisieren.

Seit Anfang der 2000er Jahre werden in der österreichischen Erwachsenenbildung dialogisch ausgerichtete Validierungsformate entwickelt und angeboten. Im Bildungsdiskurs werden sie als formative Verfahren bezeichnet. Kennzeichnend für die formative Ausrichtung sind u.a. Entwicklungs- und Lernorientierung, Anforderungsunabhängigkeit, Selbstbewertung. Sie grenzen sich ab von den dominierenden summativen Verfahren, deren Charakteristika Anforderungsabhängigkeit, Fremd-bewertung, Abschlussorientierung bzw. offizielle Anerkennung oder Zertifizierung sind (wobei formative Erkundungen häufig Elemente im Gesamtprozess summativer Validierungen).

 
Die frühen formativen Formate nannten/nennen sich „Kompetenzbilanz“, „Kompetenzprofil“, oder „Kompetenzportfolio für Freiwillige“ und erkunden das informelle Lernen im Alltag, im Ehrenamt, im Beruf, im Hobby und in anderen informellen Feldern – um es für die persönliche und berufliche Orientierung nutzbar zu machen. Jüngere formative Formate sind z.B. die „Kompetenz+Beratung“ und der Freiwilligennachweis des Sozialministeriums. Mit biographisch orientierten Methoden, kritischer Selbstreflexion oder Peer-Learning-Prozessen haben diese formativen Formate eine Nähe zu Bildungsideen der allgemeinen Erwachsenenbildung („Validierung als Bildung“), verweisen aber gleichzeitig auf Wege einer produktiven Überwindung der tradierten Abgrenzung zwischen allgemeiner und beruflicher Erwachsenenbildung bzw. Bildung und Ausbildung. Nach 20 Jahren Erfahrung mit Entwicklung und Implementierung von Validierungsformaten steht ihre Durchsetzung in der österreichischen Erwachsenen-bildung immer noch am Prüfstand. Im Jour fixe Bildungstheorie I Bildungspraxis im Sommersemester 2022 versuchen wir eine Art Zwischenbilanz, insbesondere für die dialogisch-formativen Verfahren, aber im Blick auf den Gesamtprozess der Validierung in Österreich und international.
 

Veranstaltungen

Konzept und Organisation:

Bettina Dausien: Professorin für Pädagogik der Lebensalter am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien.
Wolfgang Kellner: Leiter des Bildungs- und Projektmanagements im Ring Österreichischer Bildungswerke.
Daniela Rothe: Arbeitsbereich Bildung und Beratung im Lebenslauf, Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien.
Stefan Vater: wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pädagogischen Arbeits- und Forschungsstelle des Verbands Österreichischer Volkshochschulen.
 
Der Jour fixe Bildungstheorie | Bildungspraxis: Die Veranstaltungsreihe ist eine Kooperation zwischen Erwachsenen-bildung und Universität, in der das Theorie-Praxis-Verhältnis der Erwachsenenbildung als lebendiger Diskurs gepflegt wird. Im Zentrum der Diskussions- und Vortragsabende, Expert*innengespräche und Workshops – an vier bis fünf Terminen pro Semester – stehen offener Austausch, Perspektivenwechsel, theoretische Reflexion und Kritik. Die Reihe ist offen für alle Interessierten.