“Schreiben für übermorgen”. Forschungen zu Werk und Nachlass von Günther Anders

Datum/Zeit
​Fr 28/11/2014–​Sa 29/11/2014
09:00–17:00

Ort
IWK

Typ
Tagung

Wiederholt betonte Günther Anders (Breslau 1902–Wien 1992), dass große Teile seines Werks unveröffentlicht geblieben seien. Die unstete Vita des jüdischen Philosophen und Schriftstellers ist einer der Gründe für die große Anzahl unveröffentlichter oder wenig bekannter Arbeiten. Anders, der zusammen mit Hannah Arendt und Hans Jonas bei Husserl und Heidegger studierte und sich in Frankfurt am Main mit einer Arbeit über Musikphilosophie habilitieren wollte, emigrierte 1933 nach Paris und 1936 weiter in die USA. Seine Arbeiten aus den Exiljahren bezeichnete er einmal als “Texte für übermorgen”. Nicht für die Schubladen hätten er und die emigrierten Intellektuellen geschrieben, “sondern, wie wir glaubten, für den Handkoffer, den wir bald in Deutschland würden öffnen können”. Das Wort “übermorgen” bekam unter den Emigrant_innen eine geradezu magische Bedeutung.

Um sein Auskommen zu sichern, nahm Anders in den USA zahlreiche “odd jobs” an und hielt u.a. Vorlesungen zur Kunst- und Kulturphilosophie an der New Yorker New School for Social Research. 1950 schließlich kehrte er nach Europa zurück und ließ sich in Wien nieder. Ebendort, am Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, befindet sich Anders’ umfangreicher Nachlass, der eine ganze Reihe unpublizierter Arbeiten zur Anthropologie, Kulturphilosophie, Musikphilosophie und Ästhetik, außerdem Gedichte, aphoristische Kurzprosa, literarische Tagebücher, Korrespondenzen und Lebensdokumente enthält. Die rezente Forschung basiert vielfach auf diesen Nachlassmaterialien, die Anders’ breites intellektuelles Interesse, seine Genre-, Themen- und Stilvielfalt dokumentieren. Im Rahmen der Tagung soll ein Querschnitt durch diese aktuellen Forschungsarbeiten präsentiert und zur Diskussion gestellt werden.

 Programm und Ablauf

Freitag, 28.11.2014

  • 9.00–9.30 Uhr: Begrüßung: Konrad Paul Liessmann, Bernhard Fetz (Wien)
    Einführung: Kerstin Putz, Reinhard Ellensohn (Wien)
  • 9.30–10.00 Uhr: Christian Dries (Freiburg): Im Pilgerschritt auf guten Wegen? Erwägungen zum gegenwärtigen Stand der Anders-Forschung

Panel 1: Technikphilosophie

  • 10.00–11.15 Uhr: Moderation: Kerstin Putz
    Natascia Mattucci (Macerata): Thoughts on Technology and Discrepancy in Günther Anders
  • Jason Dawsey (Hattiesburg, Mississippi): “Earth’s Encounter with Itself”: Günther Anders’ Der Blick vom Mond and the Formation of a Planetary Consciousness
  • 11.45–13.00 Uhr: Moderation: Reinhard Ellensohn
    Timo Kaerlein (Paderborn): Günther Anders’ kritische Ökologie der Technik
  • Christopher John Müller (Cardiff): The Unsalaried Masses: Anders and the Future of Work in the Digital Age

Panel 2: Geschichtsphilosophie

  • 14.30–15.45 Uhr: Ann-Kathrin Pollmann (Leipzig): “Gespenster des 19. Jahrhunderts”. Günther Anders reflektiert Geschichte vor der Antiquiertheit des Menschen (Vortrag abgesagt)
    Laurin Mackowitz (Innsbruck): Die Lethargie der Hoffenden. Geschichtsphilosophie gegen Fortschritt und Revolution
  • 16.15–17.30 Uhr: Moderation: Christian Dries
    Julia Grillmayr (Wien): Was übermorgen gewesen ist – die Rezeption von Günther Anders im zeitgenössischen französischen catastrophisme éclairé

Samstag, 29.11.2014

Panel 3: Literatur – Anthropologie – Musik

  • 9.30– 10.45 Uhr: Moderation: Kerstin Putz
    Maria Pia Paternò (Rom): Philosophieren und erzählen: Ethik und Politik im Denken Günther Andersʼ
    Micaela Latini (Rom): Letzte Bilder: Günther Anders und die Literatur
  • 11.15–12.30 Uhr: Moderation: Reinhard Ellensohn
    Camilla Passigli (Modena): “Nicht-nur-in-dieser-Welt-sein”. Some Remarks on Günther Anders’ Philosophical Anthropology through the Notion of “In-Musik-sein”
    Christina Nurawar Sani (Freiburg): Nicht-in-der-Welt-sein innerhalb des Auf-der-Welt-seins: Phänomenologische Betrachtungen zur musikalischen Situation bei Günther Anders im Ausgang von Martin Heidegger

Vortragende

Jason Dawsey: Visiting Assistant Professor of European History, University of Southern Mississippi.

Christian Dries: Akademischer Mitarbeiter im wissenschaftlichen Dienst am Institut für Soziologie der Universität Freiburg.

Reinhard Ellensohn: wissenschaftlicher Mitarbeiter am FWF-Projekt “Günther Anders: Erschließung und Kontextualisierung ausgewählter Schriften aus dem Nachlass”.

Bernhard Fetz: Direktor des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek, Privatdozent am Institut für Germanistik der Universität Wien.

Julia Grillmayr: Dissertantin am Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Wien.

Timo Kaerlein: wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienwissenschaften an der Universität Paderborn, assoziiertes Mitglied am Graduiertenkolleg “Automatismen”.

Micaela Latini: Assistant Professor of German Literature at the University of Cassino and Lazio Meridionale.

Konrad Paul Liessmann: Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien.

Laurin Mackowitz: Dissertant am Institut für Philosophie der Universität Innsbruck.

Natascia Mattucci: Assistant Professor of Political Philosophy, Lecturer of Political Philosophy and Philosophy of Human Rights at University of Macerata.

Christopher John Müller: Associate Research Fellow, Centre for Critical and Cultural Theory, Cardiff University.

Christina Nurawar Sani: Dissertantin am Philosophischen Seminar der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Camilla Passigli: Doktorandin und Stipendiatin an der Scuola Internazionale di Alti Studi “Scienze della cultura”, Fondazione Collegio San Carlo, Modena.

Maria Pia Paternò: Professor for the History of Political Ideas at the University of Camerino and History of Modern and Contemporary Thought at the University of Roma Tre.

Ann-Kathrin Pollmann: Doktorandin am Simon Dubnow Institut für jüdische Geschichte und Kultur, Leipzig.

Kerstin Putz: wissenschaftliche Mitarbeiterin am FWF-Projekt “Günther Anders: Erschließung und Kontextualisierung ausgewählter Schriften aus dem Nachlass”, Dissertantin am Institut für Germanistik der Universität Wien.

Konzeption und Organisation

Kerstin Putz, Reinhard Ellensohn

In Kooperation mit dem FWF-Projekt Günther Anders, P-24012 (Institut für Philosophie der Universität Wien, Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek)