Seit ihrer Erfindung vor rund 5000 Jahren ist Schrift eine elementare Kulturtechnik, die auf Operationalität ausgerichtet ist. Mit Schrift werden Handlungen vollzogen, Handlungen werden von Schrift begleitet und in ein anderes Register übertragen. Schrift ermöglicht gleichsam die (selektive) Verdoppelung der Welt, schließt sie der Kalkülisierung auf und schafft gleichzeitig einen Raum des experimentellen Entwerfens. In der europäischen Neuzeit treten schließlich Könige auf, die schreibend ihr Kolonialreich verwalten: Philipp II., von den Zeitgenossen “el rey papelero”, der papierene König, genannt. Schreiben als komplexe Tätigkeit vereint Sprachlichkeit, Instrumentalität und Körperlichkeit, denn um Gedanken festhalten zu können, sind Schreibwerkzeuge nötig, und um diese bedienen zu können, ist ein entsprechendes Training nötig (die Vereinigung dieser Elemente ergibt die “Schreibszene”). Das wusste man schon in den mesopotamischen Schreiberschulen und erst recht wissen es die Schreiber heutiger elektronischer Programme. Schrift, die sich wieder und wieder in Schrift verwandelt und so die schier endlose Serie der Umschriften schafft, die unsere Zivilisation ausmachen.

Programm

• 14.00: Bernhard Siegert (Weimar): Ekstasen der Bürokratie im Zeitalter Philipps II.
• 15.15: Martin Stingelin (Dortmund): Schreibszenen (unter besonderer Berücksichtigung von Friedrich Kittler)
• 16.45: Peter Berz (Lüneburg): Source Code als Quelle. Arbeiten mit Friedrich Kittlers Programmierwerk
• 18.00: Marianne Kubaczek und Wolfgang Pircher (Wien): Umschriften

Moderation: Benjamin Steininger, Wolfgang Pircher