Irene Messinger: Scheinehe als unerforschte weibliche Flucht- und Überlebensstrategie in der NS-Zeit

Datum/Zeit
​Di 11/11/2014
18:30–21:00

Ort
IWK

Typ
Vortrag

Mittels Eheschließungen mit Ausländern konnten Verfolgte während der Zeit des Nationalsozialismus in Exilländer aus- bzw. weiterreisen oder waren durch die fremde Staatsangehörigkeit geschützt. Da Frauen automatisch die Staatsbürgerschaft ihres Ehemannes bekamen, wurden auch Ehen geschlossen, die nur auf dem Papier bestanden. Bei den bisher aus der Literatur bekannten rund 60 Fällen von Scheinehen handelte es sich primär um jüdische Frauen aus der gesellschaftlichen bzw. künstlerischen Elite und/oder um Mitglieder politischer Netzwerke, die über internationale Kontakte verfügten. Was jedoch ist mit jenen Frauen, über die keine (Auto-)Biographien existieren?

Untersucht wurde daher im Rahmen eines Forschungsprojekts, wer 1938 in der jüdischen Gemeinde in Wien heiratete. Die Auswertung der Eheschließungen im Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien zeigt, dass die Anzahl der Eheschließungen ab März 1938 stark zunahm. Wessen Ehen mit Ausländern waren nur Scheinehen, um eine Flucht ins Exil zu ermöglichen? Das Projekt will die Frauen als Akteurinnen sichtbar machen und das bislang nicht wissenschaftlich untersuchte Phänomen Scheinehe als spezifisch weibliche Flucht- und Überlebensstrategie in die Exil- und Holocaustforschung einschreiben.

Irene Messinger: Politikwissenschaftlerin, Lehrbeauftragte an der Universität Wien und der Fachhochschule für Sozialarbeit.