ABGESAGT: „Von Feminismus war damals keine Rede“. Jüdische Frauen in Deutschland und Österreich in der Nachkriegszeit

Datum/Zeit
​Di 28/04/2020
18:30–20:30

Ort
IWK

Typ
Vortrag

Ein Vortrag von Martina Steer

Frauen spielten beim Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland und in Österreich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und viel mehr noch nach der Auflösung der Displaced Person Camps eine zentrale Rolle. Paradoxerweise ermöglichte ihnen erst der frauenemanzipatorische Rückschritt der 1950er Jahre diesen großen Gestaltungsspielraum. Während die Männer sich um ihre berufliche Existenz und den Wiederaufbau der Gemeindestrukturen kümmerten, waren es die Frauen, die meist als Ehefrauen und Mütter soziale Beziehungen, die Anpassung an gesamtgesellschaftliche Normen und die Einhaltung und Weitergabe religiöser Traditionen innerhalb und außerhalb ihrer Familien gestalteten. Ähnlich wie nichtjüdische Frauen überschritten sie jedoch seit den späten 1960er Jahren die Grenzen weiblicher Rollenerwartung mit nachhaltigen Folgen für die jüdische Gemeinschaft. Dieses Projekt untersucht, wie Frauen als Akteurinnen jüdischer Soziabilität die Balance zwischen Akkulturation und sozialer Distanz für sich, ihre Familie und die jüdische Gemeinschaft insgesamt ausverhandelten und maßgeblich für die Re-Modernisierung und Diversifizierung jüdischen Lebens im Land der Täter verantwortlich zeichneten.

Martina Steer unterrichtet jüdische und europäische Geschichte an der Universität Wien und der Diplomatischen Akademie. Davor arbeitete sie unter anderem an der New York University, dem Europäischen Hochschulinstitut in Florenz und der Universität Wrocław. Zu ihren Publikationen zählen “Moses Mendelssohn und seine Nachwelt: Eine Kulturgeschichte der jüdischen Erinnerung (Göttingen: Wallstein, 2019)”, “Nation, Religion, Gender: The Triple Challenge of Middle-Class German-Jewish Women in World War I” und weitere Monografien und Artikel zur jüdischen Geschichte, kollektiver Erinnerung und Kulturtransfer.