Was dem 18. Jahrhundert der literarische Salon und dem 19. Jahrhundert das Lesekabinett war, sind heute Lesegruppen und Literaturkreise: Leserinnen und Leser, die mit Gleichgesinnten über ihre Lektüre- und Leseerfahrungen reden. Lesegruppen sind eine (meist) selbstorganisierte Form kultureller Partizipation, in der die individuelle Beschäftigung mit literarischen Texten (Verstehen, Kontextualisieren, Bewerten usw.) in einen sozialen Raum verlagert und damit in einen erweiterten Lese- und Erkenntnisprozess umgewandelt wird. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Auseinandersetzung mit Normen und Werten, wie sie etwa der durch Bildung erworbene literarische Kanon oder die medial vermittelte Literaturkritik repräsentieren. Der Vortrag bietet erste Ergebnisse aus einem laufenden FWF-Forschungsprojekt zur literarischen Anschlusskommunikation in Lesegruppen.
Doris Moser: Literaturwissenschaftlerin, verantwortlich für den Fachbereich Angewandte Germanistik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.